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Zwischen Wissenschaft und Kriminalität: Geldautomatensprengungen in Rheinland-Pfalz & Hessen

In den vergangenen Jahren kommt es in der gesamten Bundesrepublik Deutschland immer wieder zu Geldautomatensprengungen. Das Bundeskriminalamt veröffentlicht hierzu jährlich ein Bundeslagebild, das sowohl deskriptive Statistiken als auch weitere Informationen zu den Vorfällen in den einzelnen Bundesländern bietet. Auch in meiner Heimatgemeinde Hünstetten wurde bereits mehrfach ein Geldautomat gesprengt und ausgeräumt. Für mich persönlich war dies unter anderem der Ursprung, sich dieses Phänomen einmal genauer mit Studierenden und im Kontext eines betreuten Lehrforschungsprojektes an der Hochschule Mainz anzuschauen.

 

© Beke Heeren-Pradt: Gesprengter Geldautomat in Hünstetten

 

Die Ergebnisse der umfangreicheren Untersuchung, die zusammen mit den Studierenden der Hochschule Mainz für das Land Rheinland-Pfalz durchgeführt wurde, sind jetzt in einer Open Access Publikation veröffentlicht. Im Fokus des Artikels stand nicht die Sprengung des Automaten an sich, sondern ein innovativer Lehransatz der anhand des Fallbeispiels die Geldautomatensprengungen untersucht. Die Studierenden haben bei ihren Untersuchungen auf der einen Seite versucht die Rolle der „Polizei“ und auf der anderen Seite die Rolle der „Räuber“ einzunehmen. Neben der Formulierung verschiedener Thesen zu dem genannten Fallbeispiel, umfasste das „Crime Mapping“ den größten Teil ihrer Analyse. Das bedeutet, beim „Crime Mapping“ geht es um die sogenannte Verbrechenskartierung und unter anderem um die Erkennung von Verbrechensmustern. Die folgende Abbildung zeigt zum Beispiel die gesprengten Geldautomaten (a) und Polizeidienststellen und deren Erreichbarkeit (b) in Rheinland-Pfalz.

Hintergrundkarte © OpenStreetMap Mitwirkende

 

Eine der vielen interessanten Thesen von den Studierenden konnte allerdings nicht bewiesen werden: „Beispielsweise ist die Polizeipräsenz auf dem Land zwar geringer, dies bedeutet aber nicht zwingend, dass dort im Vergleich die Geldautomaten gefährdeter sind.“ Der gesamte Artikel „Innovative Lehrmethoden in der GIScience am Beispiel von Crime Mapping mit Geldautomatensprengungen“ mit weiteren Abbildungen und Statistiken ist jetzt freizugänglich in der gis.Science abrufbar.

Die ersten Ergebnisse meiner Arbeit für das Land Hessen wurden daneben bereits Anfang 2023 in Zusammenarbeit mit Jan Eggers von der hessenschau veröffentlicht. Die Erkenntnis, die wir damals gewonnen haben, war wenig überraschend: In Hessen gibt es einen gewissen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von Sprengungen und einer guten Verkehrsanbindung.

© Jan Eggers

 

OpenData vom Bundesamt für Kartographie und Geodäsie vs. Crowdsourced OpenStreetMap in Deutschland – Ein Vergleich Offener Daten

Nach knapp 1.000 Tagen Abstinenz (endlich?) mal wieder ein Blog Post von mir. Aufgrund des inhaltlichen und räumlichen Bezugs diesmal auf deutsch. English version via Google translate?

Präambel – Im Herbst 2020 entstand beim FOSSGIS e.V. eine Open Data Arbeitsgruppe. Durch verschiedene gemeinsame Aktivitäten von der Arbeitsgruppe und dem Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG), wie z.B. einem Workshop, wurden Anfang Dezember 2020 zwei Datensätze von Standorten der Landespolizei und Gesundheitsämtern für die „Pflege und Erweiterung der OpenStreetMap-Datenbank“ freigegeben. Daneben existieren beim BKG noch weitere interessante „Open Data“ Geodaten und Webdienste, die aber aufgrund ihrer Lizenzbedingungen nicht vom OpenStreetMap (OSM) Projekt verwendet werden dürfen.

Ein „offizieller offener“ Datensatz von einer Bundesbehörde? Gut, wie sieht’s im Vergleich zu gemeinsam zusammengetragen Daten aus, z.B. OpenStreetMap? Lassen sich Unterschiede in der Qualität feststellen? Sind die Datensätze womöglich auf Augenhöhe oder existieren gravierende Unterschiede oder wovon könnten alle profitieren?

Um zumindest einen Teil der zuvor genannten Fragen beantworten zu können, liegt es auf der Hand eine klassische Qualitätsanalyse zwischen den zwei Datensätzen durchzuführen. Eine interessante Frage dabei: Welcher Datensatz ist die Referenzquelle? Ist der BKG Datensatz die Referenz oder inzwischen vielleicht der OSM Datensatz? In annähernd allen mir bekannten Qualitätsuntersuchungen wird der „offizielle“ Datensatz als Referenz angenommen, daher wird die folgende Analyse ebenfalls so durchgeführt.

Wie wurde methodisch vorgegangen? Die beiden hier untersuchten Datensätze vom BKG wurden über Github bezogen. Die OSM Elemente für den Vergleich wurden aus einem aktuellen Planetfile mit osmium für Deutschland extrahiert (vielen Dank an dieser Stelle an Jochen als Maintainer für dieses super schnelle Tool und die Unterstützer). Bei der eigentlichen Analyse der Qualität wurden folgende Merkmale untersucht: Vollständigkeit, Logische Konsistenz, Positionsgenauigkeit, Zeitliche Genauigkeit und Thematische Genauigkeit. Dabei kamen verschiedene JAVA Klassen zum Einsatz, die zum größten Teil bei mir auf GitHub gefunden werden können.

Wie sehen die einzelnen Ergebnisse des Vergleichs der Datensätze im Detail aus? Starten wir als erstes mit der Vollständigkeit von den beiden Datensätzen im Vergleich:

  • Anzahl Objekte Landespolizei vom BKG: 4,257
  • Anzahl Objekte amenity=police OSM: 3,871

Auf den ersten Blick existieren damit rund 10% mehr Standorte im Datensatz vom BKG als wie am 03.02.2022 in OSM eingetragen waren. Die Besonderheit liegt aber im verwendeten OSM-Element und -Tagging, was in der ersten Version dieses Blog Posts zu Abweichungen in den Ergebnissen bei der Vollständigkeit geführt hat.

Hier verfügt der „offizielle“ Datensatz vom BKG um rund 35% mehr Objekte als was in OSM auf die schnelle zu finden ist.

Die logische Konsistenz kann über verschiedene Wege geprüft werden. In meinem Beispiel hier wurde jeweils des BKG und der OSM Datensatz bzgl. des Vorhandensein der Attribute mit sich selbst untersucht. Bedeutet: Der Datensatz der Landespolizei vom BKG besitzt 11 Sachattribute und die Gesundheitsämter verfügen über 12 Sachattribute. Bei der Landespolizei sind bei den Objekten, bis auf Telefax (73%) und E_Mail (52%), die Attribute/Eigenschaften mindestens zu 97% angegeben. Bei den Gesundheitsämtern vom BKG sind, bis auf Telefax (80%) und E_Mail (90%), die Attribute mindestens zu 99% angegeben. Bei den OSM sieht dies anders aus. Vergleichbare Eigenschaften, also Tags (key-value Paare), sind bei den in OSM vorhandenen Standorten der Polizei mit name (86%), addr:street/housenumber/postcode/city (ca. 63%), phone (27%) und fax (8%) mit einem Wert vorhandenen. Bei den Gesundheitsämtern von OSM sieht es ähnlich aus: Hier sind name (100%), addr:street/housenumber/postcode/city (ca. 78%), phone (14%) und fax (7%) mit einem Wert befüllt.

Um die Genauigkeit der Lage (Positionsgenauigkeit) zu vergleichen, wurde jeweils mit einem Puffer im Umkreis von 500m um den Standort einer Landespolizei oder eines Gesundheitsamtes vom BKG nach vergleichbaren Objekten in OSM gesucht. Im genannten Umkreis der Landespolizei-Stellen vom BKG befindet sich bei 87% ein erstelltes Polizei-Element im OSM Datensatz. Bei den Gesundheitsämtern finden sich bei 44% ein Eintrag bei OSM.

Die Prüfung der thematischen Genauigkeit erfolgte nur über einen minimalistischen Ansatz, in dem die Namen der über die Positionsgenauigkeit verknüpften Objekte miteinander verglichen wurden. Hierbei zeigte sich, dass nur 25% (Gesundheitsämter) und 32% (Landespolizei) der Namen zwischen den BKG und OSM Datensätzen exakt übereinstimmen. Die Untersuchung dieses Qualitätsmerkmals könnte oder müsste umfangreicher angegangen werden.

Die Datensätze des BKG wurden im Jahr 2021 veröffentlicht. Bei OpenStreetMap wird für gewöhnlich der Zeitpunkt der letzten Änderung des Elementes für die Aktualität bzw. zeitliche Genauigkeit verwendet.

Zusatzinfo: Die Mitwirkenden beim OSM Projekt – In OpenStreetMap haben bei den Standorten der Polizei insgesamt mind. 1.428 verschiedene Mitglieder an den Daten mitgearbeitet. Bei den Gesundheitsämtern waren es mind. 120 Personen, die die Elemente in irgendeiner Form (Lage oder Sachinformationen) bearbeitet oder ergänzt haben.

Kurzzusammenfassung oder was bringt jetzt dieser „Vergleich“? Dieser Blog Post hat keinen Anspruch auf Richtig- und Vollständigkeit. Es wird dennoch gezeigt, dass neben der Quantität (siehe Vollständigkeit) insbesondere das Augenmerk anscheinend auf die Attribute bzw. enthaltenen Details zu den jeweiligen Einträgen bei OSM gelegt werden sollte. Welche Vorgehensweise hat sich bei OSM in der Vergangenheit etabliert? Zumindest in Deutschland sollten nicht nur meiner Meinung nach keine Datenimporte mehr stattfinden. Vielmehr würde es sich anbieten, und wie in manchen Städten oder Ländern bereits erfolgreich umgesetzt und gelebt, eine Art Datenabgleich angeboten werden, wonach Interessierte und Engagierte die einzelnen Einträge vergleichen können.

Solch freigebende Datensätze, wie die vom BKG, eignen sich hervorragend zur Kontrolle und/oder Erweiterung der gesammelten Daten des OpenStreetMap-Projektes. Um es hier auch erwähnt zu haben: Nicht nur gemeinsam zusammengetragene Daten, sondern auch offizielle Daten, können Fehler oder Abweichungen enthalten. Dadurch sollten nach Möglichkeit diese Daten oder Informationen nicht unreflektiert nach OSM übernommen werden.

PS: Dieser Blog Post hat keinen Anspruch einer Wissenschaftlichen Untersuchung, sondern ist einfach aus einer Laune heraus an einem Sonntagmorgen bei einem Espresso entstanden. Hoffe es waren dennoch ein paar interessante Einblicke für Euch mit dabei?